Sonntag, 5. Mai 2019

Professionelle Scheinwelten | #socialmedia logbook

The life... in front of my eyes


Sonntag Mittag. Wir kommen zum Spätstück am Wochenende an den Tisch. Bevor wir Platz nehmen, scrolle ich noch kurz durch Instagram.. und bleibe an Kathis Instagram Profil - und mit dem Po an der Anrichte - kleben, statt mich zu setzen..



"Nichts gegen dich Kathi, deine Bilder werden wirklich immer 'professioneller' meinen zwar viele, ist auch so, aber: Ich finde, dass die einfach ultra unnatürlich aussehen. Eigentlich ist es auch sehr schön, nur auf Dauer finde ich es vielllllll zu unnatürlich und es nervt einfach langsam. Alle Bilder von dir kommen mir fast gleich vor, die Bearbeitungen sind alle gleich."
>> (...) also ich finde, du machst mit Abstand viel schönere Bilder als so manch anderer. Man sieht deinen Fotos die Qualität richtig an 😍
>> (...) Mir persönlich gefällt die Professionalität. Natürlich würde mir auch ein Foto im Pyjama ausreichen, aber man sieht das sie sich von den anderen Bloggern abheben will.❤️
>> (...) ich persönlich finde die Bilder mega professionell und mega schön 😍 "



✽✽✽



"Schau mal.. es wird ja immer wieder gesagt, dass Kathis Bilder immer besser und professioneller werden und sie sagte auch selber, dass sie sich mehr Mühe mit Instagram geben will. Aber ich frage mich eigentlich: wozu? Wie? Also, ich weiß gar nicht, was die Leute denken, was Instagram ist?!
Ich meine, wenn du dir das ansiehst, was denkst du denn dann, also... was soll denn das überhaupt sein?"

"Du meinst, was ist die Aussage, die Botschaft?"

"JA, also.. was ist überhaupt der rote Faden? Wozu das Ganze?"

"Na, das hier soll aussagen: ich bin perfekt, ich bin schön, ich treibe Sport.."





"..und dieses Bild hier, was soll das aussagen?? Ich sitze auf einem Fahrrad, wie ich in echt nie auf einem Fahrrad sitze und ich bin dabei an einem Ort, der eigentlich überall in der Welt sein könnte, ob in Los Angeles oder in Wanne-Eickel? ---
Also diese Bilder hier, die sind doch nicht privat - aber professionell sind sie auch nicht, weil sie ist ja kein Profi-Model und niemand, der sie fotografiert, ist Profifotograf, so dass das sein Portfolio wäre."

"Die Sachen sind mehr Schein als Sein."





"Ja gut! Aber WAS sollen sie denn überhaupt scheinen zu sein!? Ich erkenne das Thema schlicht nicht. Und ich erkenne auch nicht den Grund für die Inszenierung bzw. für die Bearbeitung!
Es ist wird ja immer wieder bemängelt, dass alle Ihre Bilder gleich aussehen und gleich bearbeitet sind und das eben zu stark ein Filter drüberliegt... aber ich frage mich überhaupt, zu welchem Zweck  die - sagen wir mal künstlerische - Bearbeitung stattfindet und zu welchem Kunstprojekt das Ganze denn gehört und unter was für einem Titel das Ganze denn hier steht? Wenn das hier eine Online-Galerie ist, was für einen Arbeitstitel hat die Ausstellung denn dann, die hier gezeigt wird?"

"Das ruft nur: ich bin perfekt!"





Ich frage mich halt ob das, was ich mal irgendwo gelesen habe, stimmt, nämlich das die jungen Frauen im Internet tatsächlich nur eins wollen: Sie wollen die Schönste sein. Und ob es Kathi hier auf den Bildern tatsächlich nur darum geht, schön zu sein und schön auszusehen, auch wenn Sie sich dafür auf einem Fahrrad verrenken muss und den Po komisch nach hinten rausstrecken, wie man es in echt nicht tun würde. Weil es gar kein anderes Ziel gibt, als schön zu sein, 
"also so wie du gesagt hast: dass sie einfach nur perfekt wirken will?" Vielleicht gibt es keine andere Absicht hinter und keine andere Aussage aus dem Ganzen..


"Kannst du viellt mal genau zeigen, wie du deine Bilder bearbeitest ? Mir gefällt es mega gut 💕 

Hey Kati❤️ kannst du vllt. mal ein Video drehen wo du Apps zeigst, die du für das Bearbeiten verwendest oder es in deine Story schreiben?❤️💖 das würde mich freuen❤️  

kannst du nicht mal ein Tutorial machen, in dem du zeigst welche Sachen/Filter usw. du bei deiner Bildbearbeitung so benutzt? 😍"


Und da sich etwas Perfektes und scheinbar makellos Schönes anscheinend viele Menschen gerne ansehen, haben die Marken kapiert, dass man zwischendrin gut Werbung platzieren kann, ein bisschen wie in einem Frauenmagazin, wo ja auch bloß kuratierte Bilder gezeigt werden und zwischendrin ganzseitige Werbeanzeigen, die vom Stil genauso gemacht sind wie die Inhalte des Journals und die sich deswegen ganz natürlich darin einfügen. 









Und die Influencer - wie Kathi sich selbst nennt - nehmen das natürlich gerne an, weil sie so ihr Geld verdienen. Mit dem Schein des Seins..

Privater als gestellte Fotostrecken im heimischen Wohnzimmer - bei denen übrigens schon extra daneben steht, wie das Ganze bitte bewertet werden soll, ich sag nur: Hashtag #couplegoals (meiner Meinung nach verdient dieser hashtag noch den Zusatz #schönerfremdschämen) -  wird es nicht. Echter übrigens auch nicht!


Privater wird es nicht. Echter auch nicht (als das gruselig nachbearbeitete Auge).


Ich frage mich grad wirklich, worum es geht; ob es ihr hier auf Instagram tatsächlich noch darum geht, das Leben hinter den Kulissen der 'öffentlichen Person' zu zeigen oder ob es tatsächlich und mit voller Absicht nur noch darum geht, den 'schönen Schein' zu wahren und den Anschein von Wahrheit zu erwecken..
was hieße, nur eine Scheinwelt und ein geschöntes Abbild dessen zu zeigen, was das tatsächliche Leben dieser Person ist. 





Es würde auch heißen, dass diese Figuren - neudeutsch gern als: Person des öffentlichen Lebens betitelt - sich so eigentlich bloß zu einer möglichst perfekten Litfaßsäule machten und zwar gar nicht hauptsächlich im Sinne ihrer Zuschauer, sondern nur, um potenzielle Werbepartner anzusprechen..



✽✽✽




Ich habe diese Frage lange mit mir rumgeschleppt: ich habe mich lange gefragt, nicht bloß was die Mechanismen hinter, sondern vor allem, was Sinn und Zweck dieser ganzen, schönen, neuen Scheinwelt sein soll. Was ich hier sehe, jetzt und heute, so denke ich, daß es nur darum geht, eine perfekte Werbeplattform zu sein - und je glatter die Unterlage ist, desto besser kann man die Werbung oben drüber plakatieren.

Mich schaudert's bei dem Gedanken. Keiner tapeziert mich über! Ich behalte meine dreckigen Küchenbilder und meine Vorstellungen von der Darstellung der Realität und meine unebenen Kanten. Hebbel hat gesagt: "Jedenfalls ist es besser,


ein eckiges Etwas zu sein, 
als ein rundes Nichts.



4 Kommentare:

  1. Manchmal habe ich mich schon gefragt, ob die ganzen Influencer mit ihren perfekten Leben, Körpern und ständig neuen Produkten nicht auch einfach versuchen, nicht als Persönlichkeit selbst aufzufallen sondern einfach nur ein Influencer zu sein. Ohne etwas persönliches, etwas privates - denn das sind mögliche Ansatzpunkte für Kritik. Leider wird man dadurch schnell austauschbar. Und sobald die langweilige Litfaßsäule dann nichts neues mehr zu zeigen hat, gerät sie schnell in Vergessenheit. Daher muss man dann auch wöchentlich neue Konsumgüter präsentieren, um interessant zu bleiben.
    Diese perfekten "Schnappschüsse" aus dem Leben sehen echt aus wie aus einem Frauenmagazin. Da möchte ich dann bitte lieber deine dreckige Küche sehen!

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    1. Bestimmt! Also heute, wo es das Berufsbild des Influencers voll ausgeprägt gibt kann es schon sein, das Leute nur be-influencen wollen, ohne sich selbst zu involvieren..das Problem ist nur, auf welcher Grundlage? Denn das einzige Pfund, mit dem der Influencer wuchern kann und der ihn überhaupt berechtigt, zu beeinflussen, ist ja seine Glaubwürdigkeit und infolge diese, seine um ihn gescharte Followerschaft, die ihn widerrum für Werbepartner erst interessant macht! Wenn du als Werbefläche im übertragenen Sinne auf dem Dorf stehst (so wie ich), wo alle Jubeljahre mal ein Traktor und eine einsame Kuh vorbeikommt, hast du für den Werbekunden natürlich viel weniger Wert als wenn du an einer viel befahrenen Hauptverkehrsstraße in einer Großstadt stehst (so wie Kathi). Dieser Marktwerk aka Folloerzahl entsteht ja aber erst dadurch, dass du den Leuten mal mehr gezeigt hast als ein Produkt und sonst nix. Besonders alte Hasen wie Kathi, die faktisch dabei sind seit sie 17 sind, haben nur so überhaupt ihren Ruhm erarbeitet, indem sie selbst interessant waren.
      Reine Produktbewertungsmaschinen und verlässliche Informationsauschütter über das oder das Produktsegment kann der Influencer an sich sowieso nicht darstellen, da die meisten dafür viel zu unprofessionell vorgehen und z.b. im Beautybereich auch oft viel zu wenig Hintergrundwissen haben oder nicht bereit sind, sich etwas Wissen anzueignen über die Materie (ganz anders als z.b. die alten Beauty Blogger). Ihnen bleibt also nur, Nahbarkeit herzustellen oder zu simulieren um eben das Direktmarketing zu betreiben was die Werbekunden z.b. auf Instagram von ihnen wollen. Und dafür muss es möglichst echt wirken. Das nichts davon echt ist und alles gestellt ist ist mir z.b. klar - aber jemand anderem der vielleicht jünger ist oder weniger informiert, dem fällt vielleicht gar nicht auf, wie sich so nach und nach immer mehr und mehr unsere Maßstäbe und Vorstellungen von Realität und normalen Zuständen verschieben.

      Ich hoffe also einfach, dass der Großteil der Instagram-Nutzer nach wie vor noch zufrieden in seiner eigenen Wohnung mit der dreckigen Küche sitzen kann, ohne depressiv darüber zu werden, dass das eigene Leben so anders aussieht und gar nicht instagrammable ist, obwohl das doch das eigene Vorbild so gut hinbekommt und dabei immer perfekt wirkt!!
      P.S. Meine dreckige Küche ist verlinkt ^.^

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  2. Ich muss sagen, dass mich dieses perfekte so sehr abschreckt, dass ich dem aus Prinzip nicht folge. Wie eben auch auf YouTube. Ich vermisse mehr diesen alten, unperfekten content. Und folge Accounts, die nur perfekte Bilder von sich selbst haben, nicht. Mich interessiert das schlicht und einfach nicht. Mir fehlt da, auch wenn die Bilder schon anzuschauen sind, die Echtheit, das sympathische und vor allem Mal die Abwechslung.
    Liebe Grüße Isabell

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    1. Ja, das geht mir auch so, dass mir die Abwechslung fehlt. Ich mag es z.b. auf Instagram nicht, wenn auf jedem Bild die Person, die den Account betreibt selbst mit drauf ist. ICH finde auch Fotoausstellung, die nur Portraits zeigen, meist nicht so spannend, weil mir etwas Variation fehlt. Und selbst wenn ich einen Instagram Account habe, der darauf aufbaut, dass ich meinen Lifestyle öffentlich propagiere, kann man da doch so viele unterschiedliche Motive zeigen, die alle das eigene Leben abbilden. Aber ständig nur meine eigene Schnute in die Kamera zu halten wirkte sogar auf mich, die das ja beim Beautyblog ständig machen muss, irritierend selbstverliebt. Ich käme mir dabei zumindest sehr seltsam vor ^.^

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